Im Kontext der Altorientalistik wird nach wie vor überwiegend (und teilweise anachronistisch) von Kollektivsubjekten wie Völkern, Ethnien, Staaten usw. als substantialistischen Akteuren gesprochen – unbeschadet der vielfältigen und meist sehr kritischen Diskussionen der letzten Jahre hinsichtlich der Adäquatheit solcher “kollektiver Identitäten” bzw. ihrer faktischen Relevanz. Hinzu kommen häufig nicht realisierte oder reflektierte Differenzen im Verständnis scheinbar deckungsgleicher Begriffe: was z.B. “hethitisch” ist, ist im archäologischen, philologischen oder historischen Diskurs keineswegs identisch, ja gelegentlich sogar unvereinbar. Vor diesem Hintergrund soll anhand des Beispiels der kleinasiatischen “Kulturen” des 2. Jahrtausends vor Chr. und ausgehend vom Versuch einer Rekonstruktion der Innenperspektive aufgrund der Quellen der Frage nachgegangen werden, ob – und wenn ja – wie “kollektive Identitäten” als Konstrukte oder Chiffren (Straub) tatsächlich zum Ver-ständnis von Erscheinungen oder der Erklärung von Entwicklungen beitragen können. Oder ob wir Gefahr laufen, damit eigentlich nur traditionelle Modelle oder Narrative zu per-petuieren, wie z.B. das der “Hethiter” als “indogermanischer Herrenschicht”, wie es anfangs des 20. Jahrhunderts gerade auch aufgrund der Arbeiten E. Meyers breit rezipiert wurde, aber noch Anfang des 21. Jahrhunderts keineswegs ausgestorben war und ist oder noch immer gängiger essentialistisch-ethnischer Rekonstruktionen wie “luwischer Religion”, “hurritischer Kunst” usw.