Grossbauen: Plakat mit Grossbausstelle | Foto: Birgit NennstielGroßbauten sind technische Meisterwerke, deren Errichtung einen hohen logistischen Aufwand, technisches Know-how, gleichzeitig aber auch gesellschaftlichen Konsens erfordern. Trotz ihres innovativen Charakters und symbolischen Wertes sind Großbaustellen in der Gegenwart in deutlichen Misskredit geraten. Zu teuer, vielfach unzureichend koordiniert und mit überzogenen politischen Erwartungshaltungen überladen; so werden viele der bekannten Großbauvorhaben wie der Berliner Flughafen BER oder Stuttgart 21 in der Öffentlichkeit diskutiert. Große öffentliche Bauvorhaben, so die Einschätzung von Experten und Politikern, scheinen in Deutschland derzeit kaum mehrheitsfähig zu sein: “Die fehlschlagenden Großprojekte in Deutschland – also Stuttgart, Berlin, Hamburg – sorgen in der allgemeinen Wahrnehmung dafür, dass alles nur schief gehen kann. Bewahren, nicht Aufbruch scheint im Augenblick das Motto zu sein”, so schätzte Ernst Höhler, ehemaliger Projektsteuerer beim Bau der Elbphilharmonie in Hamburg, vor wenigen Jahren die Situation ein. Darüber hinaus verdeutlichen viele öffentliche Großbauvorhaben der letzten Jahre in markanter Weise die Schwierigkeiten der Bauorganisation und der Kostenkalkulation, die langwierige juristische Auseinandersetzungen zur Folge haben. Dadurch treten in der öffentlichen Wahrnehmung die vielen herausragenden Beispiele für technische Innovationen und logistische Glanzleistungen oft in den Hintergrund. Dies ist nicht erst in der Gegenwart so, wie etwa die über 600-­jährige Bauzeit des Kölner Doms zeigt. Fragmente großer Bauten, wie der Turmstumpf des Doms mit dem mittelalterlichen Baukran, prägten das Bild historischer Städte und Landschaften über Jahrhunderte, ohne dass die Bauten je fertig gestellt wurden. Beispiele für Verzögerungen und Probleme bei Großbauvorhaben von der Antike bis in die Neuzeit sind zahlreich. Gleichzeitig waren diese Bauprojekte aber auch Motoren technischen und logistischen Fortschritts. Die enorme politische und symbolische Bedeutung der Großbauprojekte begleitete den Baufortschritt von Beginn an und bildet gleichsam den Gegenpol zu den Widrigkeiten des Baustellenbetriebs, die den Alltag der betroffenen Gesellschaft oft über viele Generationen bestimmten. Umso überraschender ist, dass es bisher kaum übergreifende und vergleichende Analysen zur Geschichte und gesellschaftlichen Bedeutung der Großbaustelle gibt. Das in Kooperation zwischen der Forschergruppe (B-2) XXL – Monumentalized Knowledge des Exzellenzclusters TOPOI (HU Berlin, FU Berlin) und dem DFG-Graduiertenkolleg “Kulturelle und technische Werte historischer Bauten” (BTU Cottbus-­Senftenberg) organisierte Querschnittskolloquium “Groß Bauen. Großbaustellen von der Antike bis zur Gegenwart” greift diesen Umstand auf und diskutiert anhand von Fallbeispielen aus unterschiedlichen zeitlichen und regionalen Kontexten die kulturelle und technische Bedeutung unfertiger Großbauwerke im oft langen Zeitraum ihrer Entstehung sowie deren sich wandelnde gesellschaftliche Rezeption.

Location

28.10.2015

Eröffnung und Abendvortrag: Heilig-Geist-Kapelle, Humboldt-Universität zu Berlin, Spandauer Strasse 1, 10178 Berlin

Empfang: Winkelmann-Institut, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin

29.10.2015 / 30.10.2015

Cottbus, Dieselkraftwerk, Uferstraße, Am Amtsteich 15, 03046 Cottbus

Program

28.10.2015
18:00 - 18:10
Begrüßung
Friederike Fless
18:10 - 18:50
Einführung
Klaus Rheidt
18:50 - 19:30
Abendvortrag “Warum im 21. Jahrhundert Großbauprojekte schief enden müssen”
Jürgen Lauber
20:00 - 21:30
Empfang
29.10.2015
11:00 - 11:30
Zu hoch gestapelt? Mörtelloses Bauen als Innovation im Ägypten der Spätzeit
Max Johann Beiersdorf
11:30 - 12:00
Ziegel für den Kaiser. Römische Palastbauten als logistische Meisterleistung
Evelyne Bukowiecki
Ulrike Wulf-Rheidt
12:00 - 12:30
Die Chinesischen Mauern
Mayke Wagner
12:30 - 13:00
Tüfteln. Testen. Optimieren. Die Stahl- Baustelle Eremitage um 1840
Werner Lorenz
13:15 - 14:30
Mittagspause im Dieselkraftwerk
14:30 - 15:00
Nabatäische Wassertechnik. Eine Großbaustelle innerhalb einer ariden Landschaft
Laura Weis
15:00 - 15:30
„… und es gehe über Menschenkraft, es auszuführen.“ Der Tempel in Kyzikos – ein Großprojekt Hadrians
Henning Burwitz
15:30 - 16:00
Organisationsstruktur und Bauablauf hoch-­‐ und spätmittelalterlicher Großbaustellen
Jens Rüffer
16:45 - 17:15
Kaffeepause
17:15 - 17:45
Arbeitsaufwand und Kosten bei Großprojekten in Sumer
Hagan Brunke
17:45 - 18:15
Die altgriechische Bauvergabeordnung von Tegea in Arkadien
Sebastian Prignitz
18:15 - 18:45
Superlative baulicher Art: Das antike Jupiterheiligtum Baalbek
Daniel Lohmann
18:45 - 19:15
Baalbek als Großbaustelle
Dominik Lengyel
Catherine Toulouse
19:15 - 19:45
Die mittelalterliche Burg als Baustelle. Anmerkungen aus archäologischer und bauhistorischer Sicht
Rainer Atzbach
30.10.2015
09:00 - 09:30
Großbaustellen in Zeiten der Krise. Neue Überlegungen zu monumentalen Heiligtümern im spät­republikanischen Mittelitalien
Dominik Maschek
09:30 - 10:00
Zwischen Prestige und Protest -­‐ Die Baustelle der mittelalterlichen Kathedrale von Santiago de Compostela
Klaus Rheidt
10:00 - 10:30
Helden der Arbeit unter Tage. Der Bau der Moskauer Metro als propagandistisches Großereignis
C. Julius Reinsberg
10:00 - 10:30
Vom Prestige ins Abseits? Die Experimental- und Referenzobjekte Hoyerswerda und Greifswald zwischen Bedeutungsprojektion und Bedeutungsverlust im DDR-Städtebau
Felix Richter
Katharina Sebold
10:30 - 11:00
Enge Rahmen groß Bauen. 60 km U-Bahn und 62 U-Bahnhöfe für West-Berlin
Verena Pfeiffer-Kloss
11:45 - 13:45
Lunch Exkursion: Von der Großbaustelle zum Garten­kunstwerk _ Parkführung durch den Fürst-Pückler-Park Branitz
13:00 - 13:30
Incompiuto Siciliano: The Critical Power of a New Kind of Ruins
Pablo Arboléda
13:45 - 14:45
Mittagsimbiss im Dieselkraftwerk
14:15 - 14:45
Das Steinstiftgebäude in Uruk: Ein gescheitertes Experiment
Sebastian Hageneuer
Felix Levenson
14:45 - 15:15
Baulos, Werkgruppe und Pensum _ Zur Baustellenorganisation an der Stadtmauer von Resafa
Catharine Hof
15:15 - 15:45
From Medieval Complexity to Baroque Scenography. The Remodelling of the Cathedral District of Santiago de Compostela
Miguel Tain Guzman
15:45 - 156:15
Incompiuto Siciliano: The Critical Power of a New Kind of Ruins
Pablo Arboléda
16:30 - 17:00
Kaffeepause
17:00 - 18:00
Theoretische Aspekte monumentaler Baustellen
Werner Kogge
18:00 - 18:30
Abschlussdiskussion